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Osis

Rightsmangement: Eine Kurzgeschichte...

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Eben bei TP entdeckt, sehr gruselig...

Rightsmanagement

Twister (Bettina Winsemann)31.01.2009

Er konnte es an ihrem Gesicht sehen als er nach Hause kam, sie musste nichts mehr sagen. Gar nichts. Ihr Augen, groß und unruhig wie die eines gefangenen Tieres, ihre blassen Wangen... es war, als sei die Schrift schon auf ihrer Stirn eintätowiert.

Und eigentlich hatte er es auch gewusst. Aber er hatte nicht anders handeln können. Und sie verstand es ja sogar. Er nahm sie in den Arm und drückte sein Gesicht in ihr langes dunkles Haar, atmete den Duft ihres Shampoos ein und dachte an sie und die Kinder.

Als er bei McBuereau angefangen hatte, war es seine letzte Chance gewesen. Er, einst der Software-Star seiner Zunft, hatte schon seit Jahren keine Arbeit mehr gefunden, die ihn nur entfernt forderte, ein Aushilfsjob nach dem nächsten hatte geholfen, ihn, Ricarda und die zwei Kinder durch zu bringen. Doch die Stupidität der Arbeit machte ihn unzufrieden, mürrisch, gereizt. Dennoch - das Geld wurde immer knapper und obwohl sie sparten wo es nur ging, musste etwas geschehen.

McBureau hatte ihn angestellt und er hatte schnell bemerkt, dass die Arbeit bei McBureau tatsächlich wie die Arbeit in einer Fast-Food-Kette aussah. Es gab Leute, die die Korrespondenz am Computer erstellten, andere druckten sie aus, wieder andere brachten sie zur Unterschrift, jemand unterschrieb und schließlich gab es den, der die Briefe faltete und den, der sie eintütete. Er hatte den Arbeitsvertrag mit den kaum hinzunehmenden Klauseln unterschrieben, was hätte er auch sonst tun sollen?

Er hatte sich hochgearbeitet - vom "Correspondence Finishing Worker" (Eintüten und Zukleben) zum "Printing Advisory Manager" (Ausdrucken) und er hatte Hoffnung auf einen Job als "Correspondence Design Manager" (Textbausteiner zusammensetzen). Doch die Arbeitsbedingungen waren schlechter und schlechter geworden.

Er hatte sich an die täglich stattfindenden Drogen- und Alkoholtests gewöhnt, daran, dass jede Stunde ein kleiner Gong ertönte und sie auf Befehl die kleine Tube Astronautennahrung leerten damit der Workflow nicht durch "Food Consuming Behaviour" behindert wurde. Als die Toilettenpause von 4 auf 2 Minuten gekürzt wurde, hatte niemand mehr protestiert. Niemand riskierte seinen Job bei McBureau, dort wurde noch einigermaßen gut bezahlt.

Doch als die Toilettenpause komplett gestrichen wurde und die Arbeitskleidung durch Unterwäsche mit "Nappies" ergänzt wurde, Unterhosen mit dünnen Erwachsenenwindeln, wie sie für Inkontinenz-Kranke zu kaufen waren, da hatte er protestiert. Nicht öffentlich, oh nein, aber er hatte abends die kleine Mini-CD mit seinem Arbeitsvertrag herausgeholt und hatte Ricarda angesehen.

"Der Arbeitsvertrag ist kopiergeschützt." sagte sie nur. "Du darfst ihn nicht ausdrucken, nicht vervielfältigen, nicht veröffentlichen. Das weißt Du."

Oh ja, er hatte es gewusst. Aber die Menschen sollten wissen, wie McBureau, der laut Eigenwerbung "humanste Dienstleister" operierte. Den Kopierschutz zu knacken war für ihn ein Leichtes gewesen und er hatte dann überlegt, was er tun könnte. Übers Internet eine Redaktion zu kontaktieren war unmöglich, schließlich war die Vorratsdatenspeicherung schon lange Wirklichkeit und Kopierschutzverletzungen zählten, wie auch Raub und Mord, zu den Katalogstraftaten, die eine Herausgabe der Verbindungsdaten durch den Provider sofort möglich machten.

Freenet und ähnliche Systeme waren de facto nicht mehr existenz seit man sie als "Technische Ermöglichung der Verschleierung von Straftaten" gebrandmarkt hatte, die Post war schon seit langem auf "nicht anonym" umgestellt worden und die kleinen gelben Postkästen nur noch zur romantischen Erinnerung dienten an eine Zeit als es möglich war ohne Fingerabdruck eine Postkarte oder einen Brief aufzugeben. Die Kameras ermöglichten fast eine lückenlose Überwachung und so hatte es für ihn nur eine Möglichkeit gegeben: er musste es schaffen, heimlich einem Journalisten den Ausdruck oder die Diskette zuzuschanzen. Und es war ihm gelungen. "Sie denken, der Arbeitsvertrag sei sittenwidrig." sagte Ricarda sanft.

"Aber es ist natürlich ein Verstoß gegen den European Copyright Act." Er nickte und fühlte die Tränen in seinen Augen. "Wie lange?"

"55 Jahre ohne Bewährung." sagte sie leise. "Und 150.000 Euro Strafe. Wir haben schon zu packen begonnen - wir werden das Haus verkaufen und die Kinder beginnen, Zeitungen auszutragen. Wenn Du wieder kommst, werden wir es geschafft haben."

"Wiederkommen?" Er lachte unter Tränen. "Ich bin fast 40 Jahre alt. Wenn ich wiederkomme, werde ich 95 Jahre alt sein."

Ricarda nahm seine Hand. "Vielleicht begnadigt man Dich nach 25 Jahren." sagte sie nur.

Quelle: http://www.heise.de/tp/r4/magazin/lit/29370/1.html

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...

in letzter zeit,heufen sich diese zukunfts prognosen aber erheblich...

angst vor der zukunft?

ich würd mich da nich so reinsteigern,denn es kommt immer alles anders als man denkt. ;)

aber die idee mit den inkontinenz windeln...find ich gut....ich sprech mal meinen chef darauf an...damit lässt sich geld verdienen. :)

ciao'

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