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Dispotom

Kolumne August/02

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Kolumne - August/02

Lizenz zum Hören - oder: Der Fluch der Digitaltechnik

Jetzt ist es soweit. Das neue Urheberrechtsgesetz ist in Kraft getreten. So näherte ich mich mit schleppenden Schritten der Kasse im CD-Laden, um die neueste Scheibe meiner Lieblingsband "Die flachbrüstigen Monsterbräute" käuflich zu erwerben. (Für optimalen Musikgenuss dieser einmaligen Combo gibt's eine Empfehlung des Leadsängers: Das übersteuern der Boxen bei gleichzeitiger Anwendung von Oropax und einer Hörentfernung von exakt 23,7m.)

Noch bevor ich so richtig an der Kasse eintraf, nahte das Unheil in Form eines grau gekleideten älteren Herren. Wie sich rausstellte war er ein gewisser Herr Schmidt und trug die Bezeichnung D.E.P.P., was für Datensammler der Ehrwürdigen Platten- und Phonoindustrie stand.

Er fragte mich ohne Umschweife wieviele Lizenzen ich denn so haben möchte. Lizenzen? Was soll dass denn? Mein etwas verwirrter Gesichtsausdruck zeigte ihm wohl, dass in meinem Fall absoluter Aufklärungsbedarf bestand.

Immerhin würde ich die CD bestimmt nicht alleine hören - und für jeden Zuhörer bräuchte ich eine Lizenz, fuhr er fort.

Äääähhhhhhh....Mein Gesicht war ein einziges Fragezeichen. Jetzt stellte er sich kerzengrade hin, holte tief Luft und fing an:

"Für jedes im Haushalt lebende Wesen, für meine Nachbarn (je nach Wanddicke), für alle Spaziergänger (je nach Stockwerk und Öffnungszeiten der Fenster), für meine Dusche (falls ich besonders gut singe), etc. brauchen Sie eine Lizenz.".

Bumm. Das saß. Mitten zwischen die Augen. Oder wahlweise Blattschuß. Vielleicht auch beides.

Da verschlugs mir die Sprache. "Sind denn bei den Spaziergängern auch Fußgänger gemeint?", fragte ich erschüttert. Da kam er erst so richtig in Fahrt. "Sie haben ein Auto?" - "Ja, ein Cabrio". In dem Moment brachen Fanfaren aus, Luftballons kamen von der Decke und ich wurde als Retter der Phonoindustrie gefeiert. Und als ich erwähnte, dass ich täglich durch die Großstadt fahre (nämlich München), brach er ohnmächtig zusammen.

Insgesamt sollte die CD 14,95 EUR kosten. Die Lizenzen für die 1.234.564 Mio Mithörer insgesamt 345.456 EUR. Kein Wunder, dass mir ein kostenloses Autogramm von Oli P. winkte.

Ohne noch länger darüber nachzudenken, warf ich die CD fort und hechtete an dunkel gekleideten DJs vorbei ins Freie. Nach einem kurzen Irrlauf entdeckte ich plötzlich einen kleinen Audio-Laden. Drinnen war alles voller....Schallplatten. Aus feinstem Vinyl. Die älteren werden sich erinnern.

Der Händler erklärte mir, dass hierfür keine Lizenzen anfallen, da die analogen Schallplatten keinen Kopierschutz besitzen. Somit darf ich sie zum privaten Gebrauch kopieren. Jetzt erst fiel mir auf, dass in den Strassen lauter Menschen mit Plattenspielern und Cassettendecks langliefen.

Mittlerweile verstaubt mein CD-Spieler, IKEA hat das neue Schallplattenregal "Horst" im Angebot und die Musikindustrie verschenkt CDs mangels Käufer. Und das DRM (Digital Rights Managment) ist passé, weil die Musikliebhaber nach und nach zur alten Analogtechnik zurückkehren.

Was ich damit sagen wollte: Wer sich von dem "Qualitätsbegriff" Digital anlocken lässt, sollte wissen worauf er sich einläßt.

Euer Tom

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Kolumne - August/02

Lizenz zu Hören - oder: Der Fluch der Digitaltechnik

Jetzt ist es soweit. Das neue Urheberrechtsgesetz ist in Kraft getreten. So näherte ich mich mit schleppenden Schritten der Kasse im CD-Laden, um die neueste Scheibe meiner Lieblingsband "Die flachbrüstigen Monsterbräute" käuflich zu erwerben. (Für optimalen Musikgenuss dieser einmaligen Combo gibt's eine Empfehlung des Leadsängers: Das übersteuern der Boxen bei gleichzeitiger Anwendung von Oropax und einer Hörentfernung von exakt 23,7m.)

Noch bevor ich so richtig an der Kasse eintraf, nahte das Unheil in Form eines grau gekleideten älteren Herren. Wie sich rausstellte war er ein gewisser Herr Schmidt und trug die Bezeichnung D.E.P.P., was für Datensammler der Ehrwürdigen Platten- und Phonoindustrie stand.

Er fragte mich ohne Umschweife wieviele Lizenzen ich denn so haben möchte. Lizenzen? Was soll dass denn? Mein etwas verwirrter Gesichtsausdruck zeigte ihm wohl, dass in meinem Fall absoluter Aufklärungsbedarf bestand.

Immerhin würde ich die CD bestimmt nicht alleine hören - und für jeden Zuhörer bräuchte ich eine Lizenz, fuhr er fort.

Äääähhhhhhh....Mein Gesicht war ein einziges Fragezeichen. Jetzt stellte er sich kerzengrade hin, holte tief Luft und fing an:

"Für jedes im Haushalt lebende Wesen, für meine Nachbarn (je nach Wanddicke), für alle Spaziergänger (je nach Stockwerk und Öffnungszeiten der Fenster), für meine Dusche (falls ich besonders gut singe), etc. brauchen Sie eine Lizenz.".

Bumm. Das saß. Mitten zwischen die Augen. Oder wahlweise Blattschuß. Vielleicht auch beides.

Da verschlugs mir die Sprache. "Sind denn bei den Spaziergängern auch Fußgänger gemeint?", fragte ich erschüttert. Da kam er erst so richtig in Fahrt. "Sie haben ein Auto?" - "Ja, ein Cabrio". In dem Moment brachen Fanfaren aus, Luftballons kamen von der Decke und ich wurde als Retter der Phonoindustrie gefeiert. Und als ich erwähnte, dass ich täglich durch die Großstadt fahre (nämlich München), brach er ohnmächtig zusammen.

Insgesamt sollte die CD 14,95 EUR kosten. Die Lizenzen für die 1.234.564 Mio Mithörer insgesamt 345.456 EUR. Kein Wunder, dass mir ein kostenloses Autogramm von Oli P. winkte.

Ohne noch länger darüber nachzudenken, warf ich die CD fort und hechtete an dunkel gekleideten DJs vorbei ins Freie. Nach einem kurzen Irrlauf entdeckte ich plötzlich einen kleinen Audio-Laden. Drinnen war alles voller....Schallplatten. Aus feinstem Vinyl. Die älteren werden sich erinnern.

Der Händler erklärte mir, dass hierfür keine Lizenzen anfallen, da die analogen Schallplatten keinen Kopierschutz besitzen. Somit darf ich sie zum privaten Gebrauch kopieren. Jetzt erst fiel mir auf, dass in den Strassen lauter Menschen mit Plattenspielern und Cassettendecks langliefen.

Mittlerweile verstaubt mein CD-Spieler, IKEA hat das neue Schallplattenregal "Horst" im Angebot und die Musikindustrie verschenkt CDs mangels Käufer. Und das DRM (Digital Rights Managment) ist passé, weil die Musikliebhaber nach und nach zur alten Analogtechnik zurückkehren.

Was ich damit sagen wollte: Wer sich von dem "Qualitätsbegriff" Digital anlocken lässt, sollte wissen worauf er sich einläßt.

Euer Tom

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Ich glaube wir sollten ein Comedy Bereich im FOrum machen oder?

Klasse Geschichte!

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@ Dispotom

Deine Geschichte ist klasse,besonders die Stelle".........Herr Schmidt und trug die Bezeichnung D.E.P.P., was für Datensammler der Ehrwürdigen Platten- und Phonoindustrie stand." :lol:

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@Corsair: Danke. Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie lange ich daran rumgetüftelt hab' :blink:

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@Dispotom

harter schlag für den CD liebhaber, aber könntest du mal nachfragen was der D.E.P.P. Beamte verlangt wen der fall eintrifft das ein "Fußgänger" in einer lautlosen gasse mit einem Mikrofon (hat ja schon jedes Handy) an deinem Wagen vorbei lief und während du an der laaaangeeeen Rotphase steht einfach das lied aufnimmt, dieses als Mp3 speichert.

Bist du haftbar für deine unachtsamkeit? :lol:

nun denn back to Topic und zu meiner frage:

Übrigens wie ist es mit dem Live kopien über radio? sind die jetzt auch illegal wenn man sie als mp3 speichert?

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nun denn back to Topic und zu meiner frage:

Übrigens wie ist es mit dem Live kopien über radio? sind die jetzt auch illegal wenn man sie als mp3 speichert?...

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ach danke für die antwort, ich dachte schon das die da auch langsam paranoid hinterher jagen.
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ach danke für die antwort, ich dachte schon das die da auch langsam paranoid hinterher jagen.

Du weisst doch: Die Tatsache, dass Du nicht paranoid bist, bedeutet noch lange nicht, dass Dich niemand verfolgt. :D

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Fein, hat mir sehr gefallen, Deine Kolumne. Wie immer ein Augenschmaus. :)

EDIT: Jaja, natürlich auch ein Hirnschmaus, ich bin jetzt mal von bewusstem Sehen ausgegangen. ;)

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