Bundestagswahl Spezial: Bündnis90/ Die Grünen

Es ist Wahlsonntag. In Nordrhein Westfalen werden Kommunalwahlen durchgeführt und im Saarland, Thüringen und Sachsen dürfen die Bürger über die Politik in ihrem Bundesland entscheiden. In unserem Bundestagswahl Spezial sollte heute eigentlich die CDU zu Wort kommen. Doch nach mehreren Wochen hat es die Partei nicht geschafft uns Antworten zu übermitteln. Davon lassen wir uns aber nicht aufhalten und machen mit den Interviews weiter. Antworten auf unsere Fragen gibt es heute von Bündnis 90/Die Grünen.

Allgemeine Informationen zur Partei

Erst 1993 entstand die Partei, so wie wir sie heute kennen. Durch einen Zusammenschluss aus "Die Grünen" und "Bündnis 90" wurde eine Wahlalternative geschaffen die heute einen festen Platz in der Parteienlandschaft eingenommen hat. Schon am Namen ist zu erkennen, dass sich die Partei für den Umweltschutz einsetzt. Doch schon längst haben sich die Grünen auch auf andere Themen spezialisiert. Die Partei setzt sich für erneuerbare Energien ein, für ein überarbeitetes Bildungssystem, welches auch auf Migranten Rücksicht nimmt und hat das Ziel eine Millionen neue Arbeitsplätze zu schaffen. Die Grünen sind für einen Beitritt der Türkei in die Europäische Union und auch für den im Moment viel diskutierten Vertrag von Lissabon. Auf Bundesebene lehnt die Partei Studiengebühren ab, einige Landesverbände sehen diese Position aber eher kritisch. Die Grünen setzen sich für einen Mindestlohn von 7,50 Euro ein und das abschaffen sogenannter Minijobs. Die Partei hat für die Bundestagswahl am 27. September eine Doppelspitze aufgestellt. Renate Künast und Jürgen Trittin treten für die Grünen an und wollen zurück in die Regierung. Am liebsten wohl in einer Koalition mit der SPD. Laut Umfrageergebnissen ist dies derzeit nicht möglich, weswegen eine "Ampelkoalition" die einzige Möglichkeit wäre.

Zum Interview

Unsere eingesendeten Fragen beantwortete Malte Spitz, Mitglied im Bundesvorstand der Grünen. Wir erkundigten uns nach den Zielen der Partei, dem Verbot von sogenannten „Killerspielen“ und Meinungen zum Telemediengesetz, was unter anderem die Sperrung von Websiten mit Kinderpornographischen Material vorsieht. Wir geben jeder Partei die gleiche Plattform um sich zu präsentieren und geben hier keine Wahlempfehlung oder ähnliches aus. Unterstellung jeglicher Art sind falsch! Zur Diskussion selber möchten wir auch noch ein paar Worte verlieren. Wir haben dafür ein eigenes Thema in unserem Forum eingerichtet. Ihr findet es entweder unter diesem Link oder im Forum „Gesellschaft & Politik“. Bitte diskutiert sachlich und dem Thema angemessen. Kommentare wie „XY Partei ist blöd“ oder andere verbale Entgleisungen sind nicht erwünscht! Das wichtigste zum Schluss: Sagt das Interview weiter!

[SEITENWECHSEL]BF-Games.net: Ihre Partei geht mit sehr ambitionierten Zielen in die Bundestagswahl im September. Um die zu erreichen benötigen Sie auch sicherlich Stimmen der Jungwähler. Wie wollen Sie die Jugend mobilisieren zur Wahl zu gehen und die DIE GRÜNEN zu wählen?

Malte Spitz: Mit der GRÜNEN JUGEND haben wir einen sehr aktiven Jugendverband. Viele junge KandidatInnen sind daraus hervorgegangen, die sich jetzt zur Wahl stellen. Sie stehen für die Themen und Fragen der jungen Generation. Dass sich junge Menschen beteiligen und selbst Politik machen hat bei uns eine lange Tradition und mobilisiert. Zudem haben BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN genau die Antworten auf die Krise, die für junge Wählerinnen und Wähler relevant sind: zukunftsfähige Jobs in Bereichen wie erneuerbare Energien, Bildung und Gesundheit. Eine Bildungspolitik, die jungen Menschen – unabhängig von ihrer Herkunft – gleiche Chancen bietet. Und wir haben Konzepte für einen Rechtsstaat, in dem Bürgerrechte ernst genommen und geschützt werden. Als einzige im Bundestag vertretene Partei haben wir dem Bereich Neue Medien/Digitalisierung ein eigenes Kapitel im Wahlprogramm gewidmet.

BF-Games.net: Gerade Computer- und Videospiele sind in der jungen Generation ein wichtiges Thema. Das angestrebte Verbot durch die Innenministerkonferenz verärgert zigtausende Spieler. Wie stehen die DIE GRÜNEN zu einem Verbot?

Malte Spitz: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind gegen ein Verbot sogenannter „Killerspiele“. Diese Debatte sehen wir als populistisch, nicht Ziel führend und im Zeitalter des Internets als unrealistisch an. Statt eines Verbots wollen wir die bereits bestehenden Instrumente des Jugendmedienschutzes stärken und die Medienkompetenz bei Kindern, Eltern und in der gesamten Bevölkerung durch gezielte Maßnahmen fördern.

BF-Games.net: Mit einem Verbot würde der aufstrebende Standort Deutschland in sich zusammenfallen. Müsste man diesen Verlust zu Gunsten des Jugendschutzes in Kauf nehmen?

Malte Spitz: Wir sind ja gegen ein Verbot. Zudem werden in Deutschland nicht nur „Killerspiele“ produziert. Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind Computerspiele Kulturgut. Das heißt, wir erkennen sie als wichtiges Zeugnis menschlichen kulturellen Schaffens an. Computerspiele sind für uns nicht nur Teil der Jugendkultur, sondern Teil unserer gesamten Gesellschaft. Daher wollen wir Computerspiele und ihre Entwicklung auch fördern. In der deutschen Computerspielewirtschaft sehen wir einen wichtigen Teil der hiesigen Kreativwirtschaft. Und wir wollen die gesellschaftliche Diskussion über Computerspiele ausweiten. Die einseitige Diskussion über "Killerspiele" verkennt die Lebensrealität von Millionen Computer spielenden Menschen.

[SEITENWECHSEL]BF-Games.net: Wie ist Ihre eigene Meinung zum Thema Spiele & Gewalt?

Malte Spitz: Gewalt von Jugendlichen hat immer mehrere Ursachen. Computerspiele allein sind nicht Grund dafür, dass Kinder und Jugendliche gewalttätig werden. Sie sind ein Faktor unter vielen. Das hat die Medienwirkungsforschung mehrfach belegt. Viel wichtiger sind diverse sozio-kulturelle Faktoren: das Elternhaus, die Freunde, das Umfeld oder auch die Schule. Millionen von Menschen spielen Computer und sind nicht gewalttätig. Ich meine, wenn elterliche Kontrolle und Medienkompetenz gegeben sind und die Mechanismen des Jugendmedienschutzes greifen, geht von Computerspielen per se keine Anstiftung zu Gewalt aus.

BF-Games.net: Gerade die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) steht im Kreuzfeuer einiger Politiker. Halten Sie den Jugendschutz bzw. Jugendmedienschutz in Deutschland für ausreichend?

Malte Spitz: Der deutsche Jugendschutz, gerade auch der Jugendmedienschutz, ist international führend. Natürlich gibt es immer Verbesserungsmöglichkeiten. Ich sehe uns aber in einer guten Ausgangssituation.

BF-Games.net: Warum schließt sich Deutschland nicht dem europaweiten System des Jugendschutzes (PEGI) an? Wäre eine einheitliche Alterskennzeichnung in Europa nicht auch für Deutschland zum Vorteil?

Malte Spitz: In Deutschland hat der Jugendschutz eine längere Tradition. Daher finde ich es nicht grundsätzlich falsch, dass wir noch die USK haben. Instrumente der PEGI wie die Inhaltsbeurteilung finde ich aber sehr spannend. Diese könnten auch in Deutschland viel Zuspruch finden.

BF-Games.net: Statt Verboten fordern viele Experten eine Stärkung der Medienkompetenz. Wäre es für die Ihre Partei denkbar, den Umgang mit Medien schon in der Schule den Kindern beizubringen?

Malte Spitz: Ja. Das ist eine unserer zentralen Forderungen. Medienkompetenz ist das A und O in unserer heutigen Zeit. Ein verantwortungsvoller und selbst bestimmter Umgang mit Medien aller Art ist für die gesamte Gesellschaft wichtig. Die Förderung von Medienkompetenz muss unserer Ansicht nach früh beginnen – am besten im Kindergarten – und darf nicht mit dem Schulabschluss enden. Auch Erwachsende jeden Alters sollten sich fortbilden und mit dem Thema auseinandersetzen. Dafür wollen wir praktikable Lösungen suchen und etablieren.

[SEITENWECHSEL]BF-Games.net: Wo sehen Sie dringenden Handlungsbedarf auf dem Gebiet neue Medien und Jugendschutz?

Malte Spitz: Auf dem Gebiet der Neuen Medien sehe ich beim Datenschutz, den Rechten der Nutzerinnen und Nutzer, der Förderung freier Software sowie beim Urheberrecht dringenden Handlungsbedarf. Die Ausgestaltung einer Kulturflatrate wird derzeit in unserer Partei diskutiert. Deren Machbarkeit hat ein von uns in Auftrag gegebenes Gutachten bereits bestätigt. Beim Thema Computerspiele sollte der Bund nicht mehr nur Geldgeber für den Deutschen Computerspielepreis sein, sondern den Aufbau einer Stiftung vorantreiben, die sich auch um das Computerspieleerbe kümmert. Aufgabe der Stiftung wäre es zudem, Förderprogramme aufzusetzen, die Medienkompetenz, Innovationen und den gesellschaftlichen Diskurs über Computerspiele unterstützen, begleiten und dokumentieren. Beim Jugendschutz wäre eine Evaluation sinnvoll, die feststellt, ob die bestehenden Maßnahmen noch zeitgemäß sind und wie man mit neuen medialen Formen wie Online Spielen etc. umgehen kann. Wichtig ist darüber hinaus die Stärkung der Medienkompetenz der Kinder und ihrer Eltern, siehe vorherige Frage.

BF-Games.net: Wie ist Ihre Meinung zum neuen Telemediengesetz? Sollten Webseiten mit Kinderpornographischen Material nicht lieber gelöscht werden, als gesperrt?

Malte Spitz: Natürlich sollten diese Seiten gelöscht werden. Die beschlossenen Internetsperren sind rechtsstaatlich und technisch unverantwortlich und löschen keine einzige Seite. Kinderpornografie gehört auf allen Ebenen verfolgt und bekämpft. Statt ein schlechtes und mit großen Gefahren verbundenes Gesetz zu verabschieden, braucht es ein wirksames auf rechtsstaatlicher Basis stehendes Vorgehen. Wir wollen, dass Seiten mit kinderpornografischen Inhalten aus dem Internet verschwinden. Die Erschwerung des Zugangs hilft hier nicht.

BF-Games.net: Steht uns mit dem Gesetz eine Zensur bevor?

Malte Spitz: Leider sind mit dem verabschiedeten Gesetz die Grundlagen dafür gelegt worden, dass ein Eingriff in die Freiheit des Internets von staatlicher Seite möglich ist und ohne nennenswerte oder rechtsstaatliche Kontrolle von statten geht. Aber noch ist nichts umgesetzt. Wer GRÜN wählt hilft, das Gesetz rückgängig zu machen und damit die Schleusen wieder zu schließen, die solch tief greifende Vorhaben erst ermöglichen.

BF-Games.net: Einige Ausländische Medien vergleichen Deutschland nun mit Staaten wie dem Iran oder China. Bundesbürger werden abgehört, E-Mails werden gelesen und in vielen Deutschen Städten kann man jeden Schritt der Bürger mit Kameras verfolgen. Sind wir im Überwachungsstaat angekommen?

Malte Spitz: Ja, das trifft in gewisser Hinsicht zu. Skandale in der Wirtschaft (Telekom, Bahn) und der schrittweise Ausbau unseres Landes zum Überwachungsstaat nach Schäubles Vorstellungen, vor allem durch die Vorratsdatenspeicherung oder die heimliche Online-Durchsuchung, schwächen die Bürgerrechte. Wir BÜNDNIS GRÜNE sind aus Bürgerrechtsbewegungen entstanden und kämpfen von Anfang an und überall gegen Überwachung und für starke Bürgerrechte. Seit letztem Jahr informieren wir auf Datenschutz-ist-buergerrecht.de über Möglichkeiten, was jeder Einzelne tun kann. Wir rufen zusammen mit anderen Verbänden zur großen Datenschutzdemo „Freiheit statt Angst“ am 12. September in Berlin auf, um das Thema in die Öffentlichkeit zu tragen.

[SEITENWECHSEL]BF-Games.net: Angenommen Die GRÜNEN sind Ende September Teil der Regierung. Welche Punkte stehen ganz oben auf Ihrer Liste der Änderungen?

Malte Spitz: Investitionen in Bildung, eine nachhaltige Wirtschaft und die konsequente Fortsetzung des Ausstiegs aus der Atomkraft. Zudem würden wir dafür kämpfen, schnellstmöglich die Vorratsdatenspeicherung außer Kraft zu setzen und die heimliche Online-Durchsuchung zu stoppen. Danach würde ich die notwendige Diskussion zum Umbau unseres Urheberrechts beginnen und reale Veränderungen folgen lassen.

BF-Games.net: Gerade die „Generation Internet“ sieht in der Piratenpartei ein Bündnis, welches ihre Interessen vertritt. Auch DIE GRÜNEN haben als kleine Protestpartei angefangen und sind nun fester Bestandteil der Parteienlandschaft. Sehen Sie eine Chance für die Piratenpartei sich in Deutschland zu etablieren, oder ist dieser Aufschwung nur ein Störfeuer?

Malte Spitz: Die Piraten sprechen wichtige Themen unserer digitalen Zeit an. Wir GRÜNE müssen uns aber nicht verstecken, wenn es um Fragen wie konsequenten Datenschutz, Stärkung von Bürgerrechten oder eines freien Internets geht. Hier stehen wir natürlich in Konkurrenz mit den Piraten und suchen diese auch. Wir wissen aber beide, wo der eigentliche Gegner bei diesen Fragen steht.

BF-Games.net: Die Piratenpartei sieht das größte Koalitionspotenzial mit Ihrer Partei. Wäre eine Koalition mit dieser Partei denkbar?

Malte Spitz: Wie schon aufgeführt, gibt es mit den Piraten Schnittmengen bei einigen Themen. Da wird man schnell einen Weg finden, zusammen zu kommen. Bei anderen Themen könnte das vielleicht schwerer werden. Auf europäischer Ebene arbeitet der schwedische Pirat Christian Engström jetzt in der Grünen Gruppe mit. Die politische Nähe ist also deutlich.

BF-Games.net: Vielen Dank für das Interview! Möchten Sie unseren Lesern noch etwas ausrichten?

Malte Spitz: Schaut euch die Wahlprogramme der Parteien an. Geht in Wahlkampfveranstaltungen und sprecht Themen wie Computerspiele oder Datenschutz offensiv an. Nur so kann man zeigen, dass dies Themen sind, die die gesamte Gesellschaft betreffen. Zudem lade ich alle ein, bei unseren Aktionen im Rahmen des Datenschutz-Sommers teilzunehmen. Registrieren kann man sich auf: Meinekampagne.gruene.de. Für Fragen zum Thema stehen wir unter buero.spitz@gruene.de gern zur Verfügung. buero.spitz@gruene.de

Das wichtigste zum Schluss: Geht wählen!

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